Liebe Gemeindemitglieder, liebe Gäste!

Grußwort

BEGEGNUNG UND DIALOG IM AUGEN-BLICK

Im März waren meine Frau Martina und ich in Rom. Ich liebe die Ewige Stadt! Das pulsierende Leben, die vielen antiken Stätten, die unterschiedlichen kleinen und großen, mächtigen und verrückten Kirchen, den Espresso an der Straßenecke, das leckere Eis und ganz besonders das Pantheon mit seinem quadratischen Platz.

Schockiert war ich allerdings mit den Tagen über die Allgegenwart nicht der katholischen Kirche, sondern der Smartphones. Ob sitzend, stehend, laufend oder (Metro) fahrend – überall waren mindestens 80 % der Menschen mit ihrem kleinen Begleiter beschäftigt. In der Masse einer Großstadt war die Allmächtigkeit des kleinen Lebensbegleiters erschreckend! Es gab kaum mehr Augen-Blicke mit anderen Menschen, weil ihre Blicke anderweitig besetzt waren.

Eine Ausnahme gab es: Auf der Piazza Navona eine vierköpfige junge Familie. Das kleine Kind im Kinderwagen schlummernd. Der Vater mit dem Fotografieren beschäftigt. Die 10-jährige Tochter ließ sich fotografieren. Die Mutter stand neben dem Vater und schaute ihrer Tochter zu. Die fing an zu posen … so wie es junge Mädchen gerne machen. Kopf nach links, Kopf nach rechts, den Körper ein bisschen zur Seite, die Haare mal kurz nach hinten geworfen, die Hände in verschiedenen luftigen Posen, und auf dem Gesicht natürlich ein überaus strahlendes Lächeln.
Und da geschah der Augen-Blick: Die Blicke von Martina und der jungen Mutter trafen sich. Sofort verständnisvolles Lächeln zwischen zwei Müttern, die Töchter haben. Die junge Mutter rollte die Augen nach oben und hielt die Handflächen entschuldigend nach oben – so als wollte sie sagen: „Was soll man da machen?! So sind sie halt, die jungen Mädels!“ Dieser Augen-Blick war herrlich, ein Labsal für die Seele!

Ich wünsche uns in dieser Sommerszeit viele Augen-Blicke!
Augen-Blicke, in denen wir die Schönheit der Natur staunend sehen können – vielleicht sogar zwei sprechende Muscheln!
Augenblicke, in denen wir achtsam wahrnehmen, was um uns herum passiert und geschieht – auch wenn es mal offensichtlich gar nichts ist. Auch das kann erholsam sein!
Ich wünsche uns Augen-Blicke, in denen wir Menschen begegnen. Sie ganz wahrnehmen. Sie überhaupt (mal) sehen – auch wenn sie U-Bahn fahren!
Augen-Blicke, in denen wir in einen Dialog mit ihnen treten – nonverbal mit Blicken oder gegebenenfalls auch mit Worten.
Augen-Blicke, in denen wir unseren allgegenwärtigen Lebensbegleiter eine wohlverdiente Pause geben!

In diesem Sinn eine segensreiche Sommer- und für manche auch Ferienzeit!

Ihr/Euer Pfarrer Uwe Six